Predigten
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15.03.2020 (Johannes-Predigt Lukas 9,54-62 Susanne Kiefer
Predigt am 13. März 2020 (Susanne Kiefer)
Aus dem Lukasevangelium, Kapitel 9, Verse 57-62
57 Unterwegs sagte jemand zu Jesus:
»Ich will dir folgen,
wohin du auch gehst!«
58 Jesus antwortete ihm:
»Die Füchse haben ihren Bau
und die Vögel haben ihr Nest.
Aber der Menschensohn hat keinen Ort,
wo er sich ausruhen kann.«
59 Einen anderen forderte Jesus auf:
»Folge mir!«
Aber der sagte:
»Herr, erlaube mir,
zuerst noch einmal nach Hause zu gehen
und meinen Vater zu begraben.«
60 Aber Jesus antwortete ihm:
Ȇberlass es den Toten,
ihre Toten zu begraben.
Du aber geh los
und verkünde das Reich Gottes.«
61 Wieder ein anderer sagte zu Jesus:
»Ich will dir folgen, Herr!
Doch erlaube mir,
zuerst von meiner Familie Abschied zu nehmen.«
62 Aber Jesus sagte zu ihm:
»Wer die Hand an den Pflug legt
und dabei zurückschaut:
der eignet sich nicht für das Reich Gottes.«
Liebe Gemeinde,
wir stellen uns vor, Zeitreisen sind möglich.
Das Zeitreisemobil steht vor der Kirche für uns bereit. Wir klettern rein und heben ab. Für einen Moment der Corona-Sorge entfliehen. In eine andere Zeit, an einen anderen Ort.
Vielleicht war die Welt da noch in Ordnung? Wir machen einen großen Schritt rückwärts durch die Geschichte. Etwa in das Jahr 33 u.Z. Damals gab es noch keinen Strom. Es gab keine Maschinen. Jede Arbeit musste per Hand oder mit der Hilfe von Tieren verrichtet werden. Auch das Pflügen des Ackers. Damals gab es noch keine Bestattungsinstitute, wie wir sie heute kennen. Die Kinder mussten dafür Sorge tragen und der größte Wusch eines Vaters war es, einmal von seinem Sohn begraben zu werden. Am Besten eigenhändig.
In dem Land, in das wir reisen, ist es zum Glück warm, es macht also nichts, dass es keine Heizung gibt. Schon von weitem können wir das Land sehen. Ein schmaler grüner Streifen, zwischen einem großen Meer und einer Wüste. Wir setzen langsam zur Landung an und erkennen mehr und mehr Einzelheiten der Landschaft, den großen See, den langen Fluss und schließlich Dörfer, Städte und Wege. Menschen, klein wie Ameisen sind darauf unterwegs. Schließlich entdecken wir sie. Die kleine Menschengruppe, die sich durch die Landschaft schlängelt. Als unser Zeitreisemobil auf einer Hugelkuppe landet beschließen wir, uns der Gruppe an zu schließen.
Da kommt noch jemand hinter uns gelaufen. Er ruft den anderen zu. „Wir müssen weiter. Auch in diesem Dorf geben sie uns kein Quartier, als sie gehört haben, dass wir nach Jerusalem wollen.“ „Da kann man nichts machen“ sagt ein anderer aus der Gruppe resigniert. „Die Samaritaner mögen eben keine Juden. Kennt man ja.“ Zwei andere ballen die Fäuste. „Denen werden wir es schon noch zeigen. Jesus? Jesus, sollen wir Feuer vom Himmel regnen lassen und sie vernichten?“ Oh, wir schauen uns verwundert an. Wo sind wir denn hier hineingeraten? In eine Gruppe ohne festen Wohnsitz? Die keiner haben will? Ein bisschen unheimlich wird uns zumute. So etwas kennen wir sonst nur aus den Nachrichten. Und dann auch noch radikal? Am Ende so etwas wie Terroristen. Aber hat da nicht jemand „Jesus“ gesagt?
Tatsächlich, der Mann ganz vorn. Das muss Jesus sein. Auch er sieht müde aus. Wie er da so langsam einen Fuß vor den anderen setzt. Aber jetzt richtet er sich auf und sieht die beiden, die den Vorschlag mit dem Feuer gemacht haben streng an. Dann schüttelt den Staub von seinen Füssen und sagt: „Kommt lasst uns in das nächste Dorf gehen.“ Puh, das ist noch mal gut gegangen. Aber trotzdem auch wir sind bedrückt. Am Ende eines Tages nicht wissen, wo man unterkommen kann. Das ist nicht schön. Heimatlos zu sein. Jeder von uns erinnert sich an Episoden, wo es ihm oder ihr schon einmal so gegangen ist.
Da kommt jemand auf unsere kleine Gruppe zu. Er geht direkt zu Jesus und sagt: „Ich will dir folgen, wohin du auch gehst!“ Jesus lächelt nur müde. „Wir kommen gerade aus Samarien. In keinem Dorf dort wollte man uns haben, nirgendwo hat man uns auch nur einen Schlafplatz angeboten. Momentan geht es wirklich den Tieren besser, als uns. Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel ihr Nest. Überleg dir gut, ob du wirklich mit uns gehen willst.“ Unschlüssig bleibt der Mann stehen. Diese Antwort hatte er nicht erwartet. Wir sehen uns an. Nur gut, dass unser Zeitreisemobil auf uns wartet. Wir müssen uns nicht entscheiden. Nicht heute. Nicht jetzt. Aber warte mal, sind wir nicht eigentlich schon Nachfolger von Jesus.
Aber nun wird es eng auf unserem Weg. Ein Menschenzug kommt uns entgegen. Sieht aus, wie ein Trauerzug. Ein Toter wird vorneweg getragen. Danach geht ein junger Mann. Ihn spricht Jesus an. Ist das zu fassen? Er fordert ihn auf mit zu gehen und der junge Mann willigt ein. Aber zuvor möchte er seinen Vater beerdigen. Das ist ein verständlicher Wunsch und hat natürlich oberste Priorität. Bestimmt kann er sich später unserer Gruppe anschließen. Aber Jesus schüttelt den Kopf „Lass die Toten ihre Toten begraben. Ich brauche dich für die Lebenden. Du sollst vom Reich Gottes erzählen.“ Unfassbar, wie kann er so etwas fordern? Er kann und ER ist der einzige, der das darf.
Nachdenklich gehen wir weiter. Wären wir, wäre ich zu so einem Schritt in der Lage. Dabei gehen wir immer weiter. Wie der junge Mann sich letztlich entscheidet sehen wir nicht. Langsam ist es wirklich Abend geworden. Im Licht der untergehenden Sonne sehen wir einen Mann. Er zieht gerade die letzten Furchen auf seinem Acker. Konzentriert geht er hinter dem Ochsen her, der den Pflug zieht. Doch dann sieht er Jesus. Er erkennt ihn und große Freude macht sich auf seinem Gesicht breit. Auch er möchte gern mit Jesus mitkommen. Das ist ja echt faszinierend. Aber vorher möchte er noch schnell nach Hause und Bescheid geben. Sich verabschieden und so. Das ist ja wohl das Mindeste. Sonst machen sich doch alle Sorgen. Aber auch hier schüttelt Jesus den Kopf. „Wenn du mitkommen willst, dann komm! Wenn du erst nach Hause gehst, gerät dein Entschluss sicher wieder ins Wanken.“ Gespannt verfolgen wir das Geschehen. Wird er sich darauf einlassen? Kann die Bindung an Jesus wirklich stärker sein, als an die Familie? Familie ist doch eigentlich alles, oder?
Genau in diesem Moment piept unser Zeitreisemobil. Wenn wir nicht wollen, dass es ohne uns abhebt müssen wir zurück. Ganz erfüllt von dem Gesehenen und Gehörten steigen wir ein und heben ab. Richtung Greifswald in das Jahr 2020.
Leider nicht zurück in unsere Kirche, denn der Gottesdienst wurde aus Rücksicht auf die Ausbreitung des Corona-Virus abgesagt.
Drei Gedanken dazu
- Es gibt Zeiten und Umstände, die erfordern radikale Entscheidungen. Ich denke z.B. an Christen im Iran, oder anderen muslimisch geprägten Ländern, die sich für den Glauben an Jesus und damit ganz oft gegen ihre Familie entschieden haben. Das ist einfach so und das war damals bei Jesus auch so.
- Radikale Nachfolge und bedingungslosen Gehorsam darf nur Jesus, nur Gott fordern. Kein Mensch oder keine Gruppe. Damit haben wir in unserer deutschen Geschichte schon leidvolle Erfahrungen gemacht.
- Ich entdecke neben aller Wucht und Radikalität der Worte Jesu auch etwas Leichtes, Befreiendes. Nämlich: Schau nicht zurück! Denk nicht, was alles hätte sein können, was alles gewesen wäre, wenn du zu bestimmten Zeiten anders gehandelt, geredet, getan hättest. Gräme dich nicht darüber. Schau nach vorn! Folge mir! Entdecke doch, was ich mit dir vorhabe und dann setze um, was du erkannt hast. Schritt für Schritt.
Und der Friede, welcher höher ist als alle unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus, Jesus unserem Herrn. Amen.
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Angemerkt zum Thema Predigt
Christoph Blumhardt der Jüngere (1842-1919) wurde einmal von einem begeisterten Studenten gefragt, wie er das mache mit dem Predigen. Er hat geantwortet:
"Junger Mann, wir werden uns einmal alle schämen müssen für die Predigten, die wir gehalten haben."
Dieser Satz ist mir seit Jahren zu einem Leitsatz geworden. Jesus Christus ist viel besser, als wir ihn predigen können. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Hören der Predigten! Torsten Kiefer