Gemeindefreizeit in Israel vom 8.-19. Feb 2017

Mittwoch und Donnerstag, 8. und 9. Februar

Zwei Tage, die im Nachhinein schlecht auseinander zu halten sind, zumindest, wenn man unsere Erinnerungen befragt. Aber der Reihe nach: Am Abend des Mittwochs treffen wir uns alle nach individueller Reise am Flughafen Tegel. Wir sind 17 reiselustige Erwachsene und Kinder der Johannesgemeinde, die in den kommenden anderthalb Wochen gemeinsam Israel besuchen werden. Hier, am Gate des Flughafens Tegel, ist die Gruppe vollständig, das Gepäck ist bereits abgegeben und die Vorfreude groß. Schon bald dürfen wir den Sicherheitsbereich und das Flugzeug betreten und auf den Start warten. Es stellt sich heraus, dass wir eines der letzten Flugzeuge sind, die starten, bevor der Flughafen schließt. Nach wenigen Minuten rauschen die Motoren und wir werden in unsere Sitze gedrückt. Der Vogel hebt ab und wir können in den kommenden vier Stunden die verdunkelte Welt von oben betrachten. Uns fällt auf, dass die Erdoberfläche in der Nacht gar nicht so dunkel ist, wie man erwarten würde. Viele Städte sind so hell erleuchtet, dass ihre Umrisse und Straßenverläufe ziemlich gut zu sehen sind - wenn die Wolkendecke mal eben aufreißt. Der Flug verläuft ruhig, fast schon langweilig, also nutzen wir die Zeit, so gut es ging, zum Schlafen.

Um vier Uhr morgens stehen wir bereits mit unserem Gepäck am Flughafen in Tel Aviv. Per Sherut, einem Kleinbus, legen wir die restliche Strecke nach Jerusalem zurück, wo wir binnen kurzer Zeit auch ankommen. Morgens um 6 Uhr sind die Straßen zwar schon von der aufgehenden Sonne beleuchtet, aber noch weitestgehend leer. Das Sherut bringt uns direkt zur Jerusalemer Altstadt und lässt uns am Jaffa-Tor raus. Wir gewinnen einen ersten Eindruck von den Häusern, die vorwiegend aus dem weißen Jerusalemer Sandstein gebaut sind, während wir unser Gepäck durch die verwinkelten Gassen tragen. Das ist mit den vielen Stufen auf dem Weg manchmal gar nicht so einfach. Unser Quartier für die kommenden Tage, das Johanniter-Hospiz, kann uns noch nicht empfangen, weil dort noch eine andere Gruppe aufbricht. Die Stunden bis zum Mittag kommen wir noch in der deutsch-lutherischen Erlöserkirche unter, wo wir ein Frühstück und Kaffee bekommen und auch ein paar Mützen Schlaf nachholen können. Einige von uns nutzen auch schon die Gelegenheit, um einen ersten Rundgang durch die Altstadt zu unternehmen oder die Zitadelle am Jaffa-Tor zu besuchen. Letztere gibt einen kompakten und dennoch übersichtlichen Eindruck über die lange Geschichte Jerusalems vor beeindruckender Kulisse. Um die Mittagszeit beziehen wir das Quartier im Johanniter-Hospiz und lernen das aktuelle Team kennen. Das Hospiz wird vom Christus-Treff aus Marburg geleitet und zeigt uns gleich, wo wir in den nächsten Tagen leben werden. In den anschließenden Stunden nutzen viele von uns die Gelegenheit, um die Betten schon mal kräftig auszuprobieren und einzuliegen. Am Nachmittag wird die Stadt auf individueller Basis erkundet, um sich anschließend über die ersten und teilweise überschneidenden Eindrücke auszutauschen. Besonders eindrücklich ist das gemeinsame Zusammenleben einiger Gemeinschaften vor Ort, so ist beispielsweise der Ruf des Muezzins zu hören, dessen Gesang vom christlichen Glockengeläut abgelöst wird. Nach dem Sonnenuntergang gegen 18 Uhr geht es für uns ein weiteres Mal zur Zitadelle, in der wir einer imposanten Lichtershow beiwohnen dürfen, die thematisch ebenfalls an der Geschichte Jerusalems ausgerichtet ist. Einige unserer Kinder bleiben hierfür aber schlafentzugsbedingt zu Hause, nachdem wir schon während des Essens einige Verluste erlebt haben.

Apropos Schlaf, nach der Lichtershow war es endlich Zeit, sich in die Betten zu begeben.

Freitag 10. Februar

Für heute wurde ein eher trübes Wetter vorausgesagt. Und doch scheint die Sonne heute ununterbrochen und es war warm. Nach einem gemütlichem Frühstück nehmen wir die Straßenbahn, deren Haltepunkt außerhalb der Altstadt liegt. Uns fällt sofort der starke Kontrast zwischen der Altstadt mit ihren schmalen Gassen und der modernen Neustadt auf. Wir fahren die Bahn bis zu ihrem Endpunkt am Mount Hertzl. Hier liegt "Yad Vashem", auf deutsch "Denkmal der Namen". Es ist ein großflächiges Holocaustdenkmal, dessen zentrales Element eine keilförmige Halle bildet. Das Gebäude stellt sinnbildlich den Keil dar, der während des 2. Weltkrieges in die jüdische Kultur getrieben wurde. Wir verbringen hier drei Stunden und gewinnen einschneidende Einblicke in das Leid, das verübt wurde, als 6 Millionen jüdische Leben einfach ausgelöscht wurden. Wir nehmen tiefe Betroffenheit und Unverständnis gegenüber den menschenverachtenden Entscheidungen und Taten zurück. Wir sind uns einig: So etwas darf sich nicht wiederholen!
Der Nachmittag wird ruhig verlebt, jeder so, wie es ihr oder ihm gerade beliebt. Des Abends begeben wir uns noch einmal gemeinsam zur Klagemauer, an der der Erev Shabat (heute ist Freitag!) gefeiert wird. So können wir dem Fest von Hunderten gläubiger Juden in traditioneller Kleidung beiwohnen, bei dem ausgelassen getanzt und gesungen wird. Es ist beeindruckend, wie fröhlich und gemeinschaftlich der Glauben gelebt wird.
Nach unserer Rückkehr feiern wir unsere eigene Abendandacht, in der wir uns gemeinsam über das Erlebte austauschen. Hinterher lassen wir uns dankbar für diesen Tag in unsere Betten fallen.

Samstag, 11. Februar

Shabbat Shalom liebe Leserinnen und Leser, wie Sie gleich noch merken werden hat es einen Wechsel an der Schreibfeder gegeben. Es ist Samstag und Sabbat in Jerusalem. Aber zunächst einmal beginnt der Tag wie die anderen mit einer kurzen Andacht vor dem Frühstück, das wir in unserer Unterkunft bekommen. Danach bleibt nicht mehr viel Zeit, denn wir wollen einen messianisch-jüdischen Gottesdienst besuchen, der in der Neustadt gefeiert werden soll. Also machen wir uns auf den Weg durch die ruhige Stadt. Den Nahverkehr können wir nicht nutzen, denn am Sabbat fahren nicht einmal die Straßenbahnen. Als wir ankommen brauchen wir einen Moment um das richtige Gebäude zu finden, denn es ist umgeben von einer mannshohen Mauer, die jegliche Sicht verwehrt. Auch ausgeschildert ist der Gottesdienst nicht. Das liegt daran, dass die messianischen Juden in ständiger Anfeindung und Gefahr leben. Die "normalen" Juden erkennen sie nicht als Juden an und als Christen wollen sie nicht bezeichnet werden. Deshalb "sitzen sie ein bisschen zwischen allen Stühlen" wie Torsten es treffend formuliert. Das Gebäude an sich ist sehr klein (wer behauptet die Johanneskirche sei klein, für den spreche ich hiermit eine Reiseempfehlung aus :D). Vielleicht passen 50 Menschen hinein. Aber diese 50 oder 60 Menschen sind auch gekommen. Es ist eine sehr lebhafte Gemeinde, was sich nicht nur darin zeigt, dass ihre Mitglieder scheinbar kommen und gehen wann sie wollen. Der Prediger, der auch den Gottesdienst leitet und sich nebenbei noch als Sänger hervortut bindet seine Gemeinde in den Gottesdienst ein indem er beispielsweise nach Gebetsanliegen fragt, die die Leute dann auch zahlreich vorbringen. Am Ende gibt es einen Wunschlieder-Block. Der Gottesdienst selbst findet auf hebräisch statt, was es uns natürlich schwer macht nachzuvollziehen worum es geht. Doch die Gemeinde bietet eine englische Live-Übersetzung an, die man über Kopfhörer anhören kann (leider verabschiedets sich der Übersetzer irgendwann mit den Worten "Too fast"). Einige von uns entscheiden sich jedoch gleich auf die Übersetzung zu verzichten, was letztlich ja keinen Unterschied macht. Später in dem etwa zweistündigen Gottesdienst kommt dann aber doch noch ein amerikanischer Prediger ans Mikrophon, der zu Besuch hier ist, und trägt eine eigene, zweite Predigt vor, die wir besser verstehen können. Nach dem Gottesdienst gibt es keinen Kirchenkaffee sondern eine Kirchensuppe zu der wir auch eingeladen sind. Draußen kann man Basketball spielen, ein Angebot das die jüngeren Teilnehmer der Gruppe gerne annehmen. Irgendwann kommt dann aber doch die Zeit zu gehen und wir machen uns wieder auf den Weg in die Herberge. Der nächste Ort den wir ansteuern ist das Gartengrab. Eine Stelle, die als möglicher Standort von Golgatha und dem Grab Jesu angesehen wird. Der namensgebende Schädel (golgatha=Schädelstätte) ist hier kaum noch bis gar nicht mehr zu erkennen. Das ist schade, aber dafür ist unser Touristenführer mit einem großartigen Humor gesegnet, was den Besuch sehr angenehm macht. Direkt im Anschluss an das Gartengrab besuchen wir den Garten Gethsemane und den Ölberg. Der Weg dorthin ist ein wenig langwieriger, da wir die Altstadt umrunden müssen. Das Gartengrab liegt im Westen und der Ölberg im Osten der Altstadt von Jerusalem. Auf dem Weg laufen wir also an der Straße entlang und dort begegnet uns ein Mann, der uns noch bis in den Abend beschäftigt. Denn er ist, dem Äußeren nach zu urteilen, ein orthodoxer Jude und geht auf der Straße statt auf dem Bürgersteig. Wenn Autos vorbeifahren/auf ihn zu fahren (er geht auf der linken Straßenseite) geht er ihnen erst im letzten Moment aus dem Weg und bedenkt jeden Autofahrer mit einem wenigstens vorwurfsvollen Blick. Auch das ist Jerusalem. Hier geht die Religiosität hin und wieder auch über den eigenen Lebenserhaltungstrieb. Der Garten Gethsemane ist eigentlich gar nicht so groß wie er klingt. Es stehen einige sehr alte Bäume darin (wenn auch bezweifelt werden darf, dass es die Bäume sind unter denen Jesus damals betete). Und an ihn schließt sich eine Kirche an, die zu einem Kloster gehört. Beim Rausgehen nehmen sich einige Reiseteilnehmer noch einen Ölzweig mit, die frisch geschnitten sind. Der Ölberg selbst ist steil und der Aufstieg anstrengend. Die Straße ist sehr eng, aber trotzdem fahren dort Autos. Neben der Straße beginnt ein riesiger jüdischer Friedhof, den wir kurz besuchen. Oben angekommen bietet sich ein unglaublicher Blick auf die Jerusalemer Altstadt, die vom Sonnenuntergang in ein helles Licht getaucht wird. Auf dem Heimweg werden wir Zeugen eines Zwischenfalls mit den Soldaten, die in der Altstadt für Sicherheit sorgen. Schnell bildet sich eine große Gruppe von Menschen, die zugucken wie ein offenbar orthodox-jüdischer Mann festgenommen wird. Wir erkennen: Diese Stadt ist ein Pulverfass und die Sicherheit in der wir uns wähnen hängt an einem seidenen Faden. Abends endet der Sabbat und einige von uns entschließen sich zu fortgeschrittener Zeit noch auf die Ben Yehuda zu gehen, eine Fußgängerzone in der Neustadt, die zum Ende des Sabbats eine ganz besondere und ausgelassene Stimmung zu bieten hat. Ein Chor aus Koreanern gibt Lieder zum Besten, die wir teilweise in ihren deutschen oder englischen Versionen erkennen. Am Ende des Tages fallen wir alle mit schweren Gliedern ins Bett, denn wir haben den bisher anstrengendsten Tag der Israel-Reise hinter uns.

Hannes Monsees (17 Jahre)

Sonntag 12. Februar

Wir sind ja eine gläubige Reisegruppe, deshalb sind wir, wie zu Hause fast jeden Sonntag, in den Gottesdienst gegangen. Am Tag zuvor waren wir zwar auch in einem Gottesdienst, allerdings war das Problem dabei, dass dieser Gottesdienst auf Hebräisch stattgefunden hat. Der Gottesdienst heute war auf Deutsch. Das war schon besser. Der deutsche Gottesdienst war auch sehr schön, weil wir auch was verstanden haben. Am Ende gab es sogar noch Abendmahl. Zum Glück hat dieser Gottesdienst nur eine Stunde gedauert, das war für die Kinder besonders vorteilhaft. Kinder können ja nicht so lange still sitzen von daher war das ganz gut.

Als wir wieder im „Johanniter-Hospiz“ waren, kam Torsten mit einem alten Freund namens Eli Heymann, ein Jude, der uns seine Geschichte erzählt hat. Er hat angefangen mit seiner Kindheit in Breslau, ist dann zur „Kristallnacht“ gekommen, hat von der Hachschara in Brandenburg (Vorbereitung auf die Einwanderung nach Palästina) erzählt und schließlich von seiner Zeit in Auschwitz. Er erzählte, wie er überlebt hat, und wie er auf dem „Todesmarsch“ geflohen ist. Es war sehr interessant, spannend und auch sehr bewegend.

Am Ende des Tages ist ein Teil von uns noch in die Neustadt gelaufen. Wir haben da Eis oder Crêpes gegessen, haben uns die Läden angeschaut und haben am Ende einem Breakdance-Battle zugeschaut. Aber irgendwann ist die Gruppe dann auch wieder zurückgekommen. Dann sind auch alle schlafen gegangen und dann war der Tag auch schon vorbei.

Torge Monsees (12 Jahre)

Dienstag, 14. Februar

An diesem Morgen wurden wir nicht von der Sonne wach gekitzelt. Tatsächlich war sogar das Gegenteil der Fall. Der Regen trommelte auf die Dächer und der Himmel war grau und verhangen. Wir ließen uns davon nicht stören und genossen unser gemeinsames Frühstück. Als diese wichtige Tätigkeit abgeschlossen war, machten sich einige von uns, trotz des schlechten Wetters, auf den Weg hinauf zum Tempelberg. Am Eingang erwartete uns die übliche Sicherheitskontrolle, die gefühlt an jeder Sehenswürdigkeit Israels durchgezogen wird. Natürlich kamen wir alle gut hindurch und standen wenige Minuten später vor dem Wahrzeichen Jerusalems, dem Felsendom. Die Wände dieses Prachtvollen Gebäudes sind reich verziert und die goldene, vom Regen glänzende Kuppel, war sehr beeindruckend. Leider konnten wir diesen prachtvollen Anblick nicht sonderlich lange bewundern, da wir die begrenzte Besichtigungsfrist einhalten mussten. Also machten wir noch schnell ein paar Fotos und waren schon zehn Minuten später wieder in den belebten und bunten Gassen Jerusalems und machten uns auf den Weg zurück zum Hospiz. Es regnete immer noch in Strömen, und als wir wieder in unseren Zimmern standen, waren wir bis auf die Haut durchnässt. Danach war die Energie erstmal niedrig und wir verbrachten die nächsten Stunden im trockenen und vertrieben uns die Zeit mit Lesen, Brettspielen und ähnlichen Aktivitäten. Nach einiger Zeit stürzte sich eine kleine Gruppe in den tosenden Regen und machte sich auf zum Hadassa-Krankenhaus, in dem es vor allem die bunten und kunstvoll gefertigten Fenster von Marc Chagall zu bestaunen galt. Die anderen begannen langsam das Essen zuzubereiten. Dieses genossen wir dann auch zusammen, als die Krankenhausleute wieder zu uns stießen. Die gute Stimmung während der Mahlzeit lockerte auf und bald war der Raum von fröhlichen Gesprächen jeder Art erfüllt, die vom Gesang der Muezzin begleitet wurden. Und nach dem täglichen Rückblick war dieser etwas verregnete aber trotzdem schöne Tag auch schon fast vorbei. Das letzte was noch auf dem Plan stand, war das Packen der Koffer für die morgige Abreise. Dies war allerdings schnell erledigt und schon bald legte sich die schläfrige Stille über das nächtliche Jerusalem.